URBANES FLAIR

Mit dem Baubeginn des „Handelshofes“ durch den Gastronomen und Unternehmer Josef Strothe war absehbar, dass sich der Bahnhofsvorplatz zunehmend zu einem urbanen Mittelpunkt der Stadt entwickeln würde.

Die mit der Inbetriebnahme der Stadtstrecke am Bahnhof Bochum-Süd entstandene Gleisschleife wurde Ende 1913 / Anfang 1914 um ein zweites Gleis ergänzt. Es ist durchaus denkbar, dass dieses Gleis unmittelbar vor oder zeitgleich mit dem Bau des „Handelshofs“ entstand, um das ursprüngliche Endstellengleis, das direkt vor der Baustelle lag, während der Bauarbeiten nicht nutzen zu müssen.

Das neue Gleis erhielt nur einen Anschluss in Richtung Norden, während das bestehende, nunmehr innen liegende Gleis über das Gleisdreieck weiterhin Aus- und Einfahrten von und nach Süden oder Norden ermöglichte.

Gelöst waren die Verkehrsprobleme am Bahnhof Bochum-Süd damit immer noch nicht: „Infolge der Schwierigen Verhältnisse für den Straßenbahnverkehr am Bahnhof Bochum-Süd“, schriebt Paul Müller in der Festschrift zum 10jährigen Bestehen der Westfälischen Straßenbahn, „die sich infolge des ständig wachsenden Verkehrs immer unangenehmer fühlbar machten, wurden die Verhandlungen über die Beseitigung dieser Schwierigkeiten von uns dauernd fortgesetzt.“

EIN NEUES ZENTRUM

Vor diesem Hintergrund hatte die Westfälische Straßenbahn bereits 1913 der Stadt und der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG den Plan einer noch großzügigeren Endstellenanlage vor dem „Handelshof“ mit drei „Rundfahrgleisen“ unterbreitet. Eine „Wartehalle“ mit Verkehrsbüro, Fernsprechzellen, Bedürfnisanstalt und Sozialräumen für das Personal der Verkehrsbetriebe sollte die Anlage ergänzen.

Mitte 1913 wurde das Projekt präsentiert. Im Herbst 1913 stimmte die Eisenbahnverwaltung, deren Grundstück mitgenutzt werden sollte, der Sache zu.

Im Frühjahr 1914 begannen die Bauarbeiten für das dritte Gleis. Es zweigte als Innenbogen vom kurz zuvor angelegten äußeren Gleis ab. Vor der Einfahrt in die Bahnhofstraße mündete es in dieses wieder ein, so dass die Gleise in der Bahnhofstraße selbst nicht noch einmal umgebaut werden mussten.

Die Gleis- und Oberleitungsarbeiten wurden von der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG koordiniert. Vom 6. Mai 1914 an konnte die nochmals erweiterte Endstellenanlage vollständig genutzt werden.

WARTEHALLE IM JUGENDSTIL

Die neue Wartehalle, deren Bau von der Stadt Bochum betreut wurde, wurde als repräsentatives Betriebsgebäude in der Architektur des frühen Jugendstils errichtet. Zuvor hatten sich die Stadt und die Verkehrsbetriebe geeinigt, die Kosten für die Wartehalle zu jeweils rund einem Drittel zu teilen. Die zuvor auf dem Bauplatz der Wartehalle vorhandene Grünanlage wurde aufgegeben.

Nach dem Abschluss der Arbeiten vermittelte die Architektur rund um den Bahnhof ein elegantes, urbanes Flair. Die Straßenbahn war als modernes Verkehrsmittel jetzt überall präsent.

WEITERE UMBAUTEN

Die Endstelle Bochum-Süd blieb in dieser Form bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten. Der Bahnhof selbst führte vom 1. April 1919 an den Titel „Hauptbahnhof“.

In den ersten Nachkriegsjahren wurde die dreigleisige Endstelle ertüchtigt und zunächst weiter genutzt. Die Wartehalle und der weitgehend zerstörte Bahnhof Bochum-Süd wurden als nüchterne Zweckbauten bis zum Katholikentag im Jahr 1949 neu gebaut.

Im Zuge der Verschiebung des Hauptbahnhofs um rund 650 Meter nach Osten und der neuen Trassierung der Straßenachse von der Viktoriastraße zur Königsallee wurden die Endstelle sowie nach und nach auch die Innenstadtstrecken über die Bahnhof- / Brüderstraße sowie die Kortumstraße aufgegeben.

Die den Bahnhof Bochum-Süd auf der Nord-Süd-Achse passierenden Straßenbahnen erhielten anfangs eine dreigleisige Endstelle in der Viktoriastraße. Mit dem Neubau der Straßenachse von der Viktoriastraße zur Königsalle wurde diese aufgegeben.

In der neuen Straße erhielt die Straßenbahn zwischen der heutigen Kreuzung Rottstraße / Südring und dem Bochumer Schauspielhaus eine doppelgleisige Trasse in Mittellage.

Für die vorübergehend noch am Bahnhof Bochum-Süd wendende Linie 2 aus Gelsenkirchen wurde eine Wendeschleife über die „neue“ Kortumstraße (Bahnhofstraße) und die Kirchstraße angelegt. Diese Wendeschleife war bis zum Beginn der Arbeiten am Stadtbahntunnel Anfang der 1970er-Jahre in Betrieb. Sie wurde gelegentlich für Einsatzwagen auf den Linien 8, 18 und 28 sowie als Betriebsstrecke genutzt.

Das Beitragsbild zeigt die 1910 in Betrieb genommene Endstelle für die Linie 1 und die Bochum-Castroper Straßenbahn, vermutlich aufgenommen im Jahr 1911: Im Jahr darauf wurde für die Linie nach Castrop die Linienbezeichnung „A“ eingeführt. Die Seitenbeschilderung der Straßenbahnwagen wurde aufgegeben (Postkarte ohne Verlagsangabe – Sammlung Ludwig Schönefeld).