RÖMISCH II UND III

In der Gemeinde Stiepel, die bis zum 1. Januar 1929 als selbständiges Amt zum Landreis Hattingen gehörte, entstanden 1911 erste Initiativen für eine für Straßenbahnverbindungen zur Henrichshütte in Welper und zur Zeche Carl Friedrich in Weitmar. Sowohl die Hütte als auch das Bergwerk waren wichtige Arbeitgeber.

Der Erste Weltkrieg, Inflation und Ruhrbesetzung verzögerten das Projekt über etliche Jahre. Erst 1926 konnte durch die Hattinger Kreisbahnen mit dem Bau der Strecken nach Stiepel und Weitmar begonnen werden.

Anfang 1926 wurde endlich mit dem Bau der Strecke begonnen. Am 6. Dezember 1926 waren erste Probefahrten möglich, am 18. Dezember 1926 konnten die 7,54 Kilometer zusätzlicher Strecke von Welper über das Gemeindehaus Stiepel zur Zeche Carl Friedrich als Linie II und der Abzweig nach „Frische“ als Linie III in Betrieb genommen werden.

ZUR SCHÖNEN AUSSICHT

„Frische“, eine Gaststätte auf der Anhöhe zwischen Bochum und dem Ruhrtal, war nach Recherchen des Stiepeler Vereins für Heimatforschung e.V. zu Beginn des 20. Jahrhunderts das soziale und gesellschaftliche Zentrum in Stiepel. Die 1857 von Friedrich Frische gegründete „Restauration zur schönen Aussicht“, kurz „Frische“, diente den Bochumer und Hattinger Bürgern als Ausflugslokal.

Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG übernahm über die gesamte Betriebsdauer der Straßenbahnstrecke nach Stiepel für die Endstelle die Bezeichnung „Frische“. Als Bushaltestelle blieb die Bezeichnung bis 1978 erhalten. Seither heißt die traditionsreiche Haltestelle „Haarholzer Straße“.

UNFREIWILLIG GEMEINSAM

Die Linienbezeichnungen II und III waren demgegenüber nicht von langer Dauer: Der im Mai 1920 gegründete Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) hatte den Anspruch, die Verkehrsunternehmen im Ruhrgebiet im Interesse einer langfristigen Regionalplanung zu verpflichten, den öffentlichen Personennahverkehr gemeinsam zu betreiben.

Das lief 1927 darauf hinaus, dass der Landkreis Hattingen gezwungen wurde, die Linie nach Stiepel an der Zeche Carl-Friedrich mit der Bochumer Linie 3 zusammenzulegen. Die Wagen der Hattinger Kreisbahnen nutzten fortan die „römischen“ Liniensignale II und III, die der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen in der Regel die „arabische“ Ziffer 3.

Das folgende Foto zeigt einen als Linie 3 ausgeschilderten Triebwagen am Bahnhof Bochum-Nord. Hinter dem Linienwagen steht ein vermutlich als Arbeitswagen eingesetzter Weyer-Triebwagen. Die Reproduktion der seltenen Postkarte verdanke ich den Bochumer Eisenbahnfilmern Rolf und Achim Schlafke.

STROM VON DER ZECHE

Die für den Gemeinschaftsverkehr notwendige Gleisverbindung an der Zeche Carl Friedrich wurde im Frühjahr 1928 fertiggestellt.

Parallel zum Ausbau der Gleisanlagen wurde die Stromversorgung der Straßenbahn neu aufgestellt. Dazu nutzte man das Unterwerk der Zeche Carl Friedrich. Sie diente zu diesem Zeitpunkt bereits ausschließlich als Wetterschacht für die benachbarte Zeche Prinz Regent.

Im Fördermaschinenhaus der Zeche wurde ein Schaltschrank installiert, mit dem die beiden Gleichrichter und die Weiterleitung des Stroms auf die Straßenbahnstrecken nach Wiemelhausen, Stiepel und Hattingen geschaltet werden konnten. Er ist in der Bildfolge auf einem Foto aus dem Archiv der Vereinigten Stahlwerke Bochum zu sehen.

Wahrscheinlich ist, dass nach 1930 eine neue Lösung für die Stromversorgung gefunden wurde: In diesem Jahr wurde der Betrieb auf „Carl Friedrich“ eingestellt. Die Anlagen wurden bis auf ein bis heute erhaltenes, ehemaliges Maschinenhaus zurückgebaut.

  • Der Maschinenraum der Zeche Carl Friedrich. Rechts der Schaltschrank für die Straßenbahn.
    Archiv Vereinigte Stahlwerke Bochum

AUFGABENTEILUNG

Vom 5. April 1928 an fuhren die Gesellschaften nunmehr gemeinsam auf den Strecken Welper Henrichshütte – Stiepel – Zeche Carl Friedrich – Bochum Nordbahnhof und Stiepel / „Frische“ – Zeche Carl Friedrich – Bochum Nordbahnhof.

Da es in Höhe des Amtshauses Stiepel aus topographischen Gründen von Anfang an erforderlich war, die Strecke nach „Frische“ über einen Richtungswechsel zu betreiben – der Abzweig war nur aus Fahrtrichtung Bochum möglich – wurden die Wagen für den Gemeinschaftsverkehr von Bochum Nordbahnhof nach „Frische“ zumeist durch die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG gestellt. Die Verbindung nach Welper wurde bevorzugt mit Wagen der Hattinger Kreisbahnen bedient.

Bilddokumente der Hattinger Kreisbahnen sind sehr selten. Das hier als Titelbild verwendete Foto eines Hattinger Triebwagens entstand in Höhe des Friedhofes an der Wiemelhauser Straße (Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte). Der auf der Linie II eingesetzte Triebwagen gehört zu einer 1927 direkt an die Hattinger Kreisbahnen gelieferten Kleinserie (Triebwagen 10 oder 11 – erkennbar am Tonnendach).

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