KONFLIKTE UND KOSTEN

Mehrfach kam es im Straßenbahnverkehr zu Zusammenstößen mit der Besatzungsmacht. Relativ häufig waren Konflikte, wenn Deutsche einem französischen Offizier beim Einstieg in die Straßenbahn nicht den Vortritt ließen.

Am 31. Juli 1923 verurteilte das Polizeigericht einen Straßenbahnführer aus Bochum zu 15 Monaten Gefängnis, weil er auf das Winken eines französischen Kapitäns seinen Wagen nicht angehalten haben soll.

Ein großes betriebliches Problem waren die Sperrstunden. Sie galten von 18 oder 19 Uhr am Abend bis um 6 Uhr am Morgen. Gelegentlich wurden diese Zeiten auch willkürlich angepasst. Darunter litt insbesondere auch das Personal der Straßenbahn: Fahrer, die Verkehrsaufsicht und Mitarbeiter der Störungsdienste wurden auf den Nachhauseweg inhaftiert, falls sie nach einer Sperrstunde von Soldaten auf der Straße angetroffen wurden.

Auch abseits der Ausgangssperren wurden die Papiere der Zivilbevölkerung häufig kontrolliert. Ein Beispiel dafür ist die Kontrolle von Passanten in der Bongardstraße vor der Cigarrenhandlung Wagner (Stadt Bochum, Pressestelle).

Verfügbare Kraftfahrzeuge wurden beschlagnahmt. Ein Beispiel dafür ist die auf dem Beitragsbild gezeigte Übernahme eines Lastwagens auf der Wiemelhauser Straße (Stadt Bochum, Pressestelle). Im Hintergrund ist das kurz vor der Ruhrbesetzung fertiggestellte Verwaltungsgebäude der Gelsenkirchener Bergwerks AG (GBAG) auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Friederika zu erkennen.

KOSTENERSTATTUNG

Am 21. Juli 1925 rückten die französischen Truppen aus Bochum ab. Am 31. März 1926 wurde das Besatzungsamt der Stadt Bochum aufgelöst. Was blieb war ein stärker als je zuvor belastetes Verhältnis zu Frankreich und Belgien, die Trauer um die bei Unruhen, Attentaten und Sanktionen zu Tode gekommene Bürgerinnen und Bürger, eine hohe Arbeitslosigkeit und in den Betrieben ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden.

Dies auch bei den Verkehrsbetrieben: Beamte und Offiziere der Besatzungstruppen konnten die Straßenbahnen grundsätzlich kostenlos benutzen. Soldaten mussten anfangs 5 Pfennig für eine Fahrt über vier Teilstrecken bezahlen. Häufig beanspruchten aber auch sie eine Freifahrt, zumal in der ersten Phase der Besetzung vom Deutschen Reich finanzierte Freifahrtscheine ausgegeben worden waren.

Im Lauf des Jahres 1923 stieg der Militär-Fahrpreis für vier Teilstrecken auf 50 Milliarden Papier-Mark. Die Zivilmitarbeiter der Besatzungsmacht mussten vom 25. Januar 1924 an den doppelten Militärtarif entrichten.

Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG beziffern den durch die Ruhrbesetzung erlittenen Verlust in der Chronik zum 75jährigen Bestehen mit 39 Billiarden Papier-Mark (38 935 539 936 550 752 Papier-Mark). Inwieweit das Unternehmen einen Ausgleich für die entgangenen Fahrgeldeinnahmen erhielt, ist nicht dokumentiert. Die Westfälische Straßenbahn GmbH, deren Verluste nicht bekannt sind, wurde mit 7544,22 Reichsmark abgefunden.

LITERATURHINWEIS

Detaillierte Informationen zur Ruhrbesetzung in Bochum enthält der Band „Bochum unter fremder Gewalt in den Jahren der Ruhrbesetzung 1923 – 1925“ von Paul Küppers, Buchdruckerei Wilhelm Stumpf, Bochum 1930. Er diente auch als Quelle für dieses Kapitel.

ZURÜCKZUM NÄCHSTEN KAPITEL