NETZÜBERGREIFEND

Auf Initiative des 1920 gegründeten Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk (SVR) wurde unter dem Druck der allgemeinen wirtschaftlichen Not intensiv daran gearbeitet, den öffentlichen Personennahverkehr wirtschaftlicher zu gestalten. Die angestrebte Lösung waren lange Linien und Gemeinschaftsverkehre benachbarter Verkehrsunternehmen.

In den Fokus geriet dabei auch die Strecke nach Hattingen. Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG und die Straßenbahn Herne – Recklinghausen vereinbarten einen Gemeinschaftsverkehr zwischen Recklinghausen Hbf. und Hattingen.

Im Vorgriff auf diesen Gemeinschaftsverkehr wurden bereits zum 15. November 1927 die Linie 2 (Herne Bf. – Bahnhof Bochum-Süd) und 8 (Bochum „Lindenhof“ – Weitmar – Linden – Hattingen Post) zu einer durchgehenden Linie 2 zusammengelegt. Da die Linie 8 nunmehr nicht mehr vom Nordbahnhof über den Hellweg zum Bahnhof Bochum-Süd fuhr, wurde dieser Streckenabschnitt von der mit den Hattinger Kreisbahnen betriebenen Gemeinschaftslinie 3/III übernommen.

Eine wichtige Voraussetzung für die Durchleitung der Gemeinschaftslinie bis Recklinghausen Hauptbahnhof war der Umbau der Oberleitungsanlagen zwischen Herne und Recklinghausen auf den in Bochum üblichen Betrieb mit Schleifbügeln. Die Fahrzeuge der Straßenbahn Herne – Recklinghausen erhielten dafür Scherenstromabnehmer und „Albert“-Kupplungen. Im Dezember 1927 waren die notwendigen Umbauten abgeschlossen, so dass man den Gemeinschaftsverkehr bei der Aufsichtsbehörde beantragen konnte.

DURCHGANGSVERKEHR

Am 20. Juni 1928 konnte der in der Presse als „Durchgangsverkehr“ bezeichnete Gemeinschafsverkehr zwischen Recklinghausen und Hattingen aufgenommen werden. Ganz durchgängig war die Strecke gleichwohl nicht: Da die Motorisierung der von der Straßenbahn Herne – Recklinghausen eingesetzten Vierachser für die steigungsreiche Fahrt nach Hattingen nicht ausreichte, konnten diese nur bis zum Bahnhof Bochum-Süd fahren.

Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG bezeichnete ihre zwischen Recklinghausen und Hattingen fahrenden Wagen als Linie 2. Sie ging davon aus, dass für die von Bochum-Süd nach Recklinghausen fahrenden Wagen der Straßenbahn Herne – Recklinghausen – wie vereinbart – das Liniensignal „8“ verwendet werden sollte. Diese jedoch behielt anfangs für ihre Kurse das Liniensignal „A“ bei.

Das sorgte für Verwirrung: Das Liniensignal „A“ wurde in Bochum seit jeher für die Verbindung der Westfälischen Straßenbahn von Bochum nach Gerthe genutzt. In Recklinghausen wurde die Verbindung der Vestischen Kleinbahnen nach Erkenschwick als Linie 2 betrieben.

Binnen eines Monats fand man einen Kompromiss: Vom 20. Juli 1928 an verwendete die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG für die von Hattingen nach Recklinghausen fahrenden Wagen die Linienbezeichnung „8“. Die von Bochum-Süd nach Recklinghausen fahrenden Wagen der Straßenbahn Herne – Recklinghausen fuhren als „8 a“. Das Liniensignal „2“ wurde fortan für Verstärkungswagen zwischen dem Gleiswechsel am Bochumer Engelbert-Brunnen und Hattingen genutzt.

KOOPERATION

In Ergänzung des Gemeinschaftsverkehrs mit der Straßenbahn Herne – Recklinghausen verknüpfte die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG 1931 ihre Strecke von Bochum nach Hattingen mit der Linie A (Bochum – Castrop) der Westfälischen Straßenbahn GmbH. Dadurch entfiel die Linie 2 endgültig.

Die Übernahme der Hattinger Kreisbahnen machte es ab dem 15. September 1933 möglich, die Linie 8 von Bochum-Süd bis nach Blankenstein weiterzuführen. Die weiterhin bestehende Gemeinschaftslinie A übernahm das Teilstück von Linden nach Dahlhausen.

Ende 1937 fotografierte Emil Konrad Triebwagen 65 und Beiwagen 170 am Bahnhof Bochum-Süd (Sammlung Verkehrsmuseum Nürnberg. In der Vergrößerung ist auf dem Zielfilm die Endstelle „Linden / Dahlhausen“ gut zu erkennen.

VERSTÄRKUNG

Auf der Verbindung von Bochum-Süd nach Recklinghausen Hauptbahnhof wurde die Bezeichnung „8 a“ vom 1. Oktober 1936 an durch die neue Liniennummer 18 ersetzt. Zwischen Bochum-Süd und Blankenstein wurde das Angebot mit dem Fahrplanwechsel am 22. Mai 1937 werktags durch die Verstärkerlinie 28 intensiviert.

Der Linienweg der „28“ änderte sich in den folgenden Jahren mehrfach: Vom 1. April 1941 bis zum 31. Mai 1942 pendelte die Linie 27 werktags zwischen Weitmar und der evangelischen Kirche in Wattenscheid. Nach einigen Jahren Pause wurde sie am 1. Juni 1944 erneut eingeführt, nunmehr zwischen dem Gleiswechsel an der Bochumer Brückstraße und Dahlhausen Bahnhof.

EINSTELLUNG DES
GEMEINSCHAFTSVERKEHRS

Am 1. Januar 1938 wurde die Westfälische Straßenbahnen GmbH in die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG integriert. Die Linie „A“ erhielt das Liniensignal „7“.

Der Gemeinschaftsverkehrs von Bochum-Süd nach Recklinghausen Hauptbahnhof hatte noch bis zum Dezember 1939 Bestand, wurde dann aber durch die Vestische Kleinbahnen GmbH beendet. Diese hatte die Straßenbahn Herne – Recklinghausen nach langjähriger Betriebsführung am 28. Oktober 1939 übernommen. Inzwischen galten deren Triebwagen bis auf drei Fahrzeuge als heruntergewirtschaftet. Die für eine Fortführung des Gemeinschaftsverkehrs benötigte Kapazität stand nicht mehr zur Verfügung.

Das 1928 als Foto-Postkarte verlegte und deshalb im Original bereits ausgebleichte Beitragsbild zeigt einen als Linie 2 mit Fahrtziel Hattingen ausgeschilderten Triebwagen im Gleiswechsel am Engelbert-Brunnen. Im Hintergrund ist das in den Jahren 1924 und 1925 errichtete Lueg-Hochhaus zu sehen, davor wartet ein zweiter Triebwagen als Linie 8 in Richtung Recklinghausen (Verlag Cramers Kunstanstalt, Dortmund – Sammlung Hansi Hungerige).

Auf dem unten gezeigten Bild ist ein Stahlwagen der Westfälischen Straßenbahn (Uerdingen 1929) im Jahr 1933 auf der Gemeinschaftslinie A in der Bahnhofstraße unterwegs (Verlag Hermann Lorch, Dortmund (Ausschnitt) – Sammlung Dirk Ernesti). Der von der Endstelle in die Bahnhofstraße einbiegende Wagen fährt als Linie 6 nach Wanne-Eickel.