BAULAGER UND BAUHÖFE

In der Anfangszeit des Straßenbahnbetriebs wurden die Freiflächen der Betriebshöfe auch als Baulager genutzt.

Das änderte sich in Bochum mit der Aufgabe des Betriebshofes Voedestraße. Als Ersatz für die Lagerflächen konnte die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG für das neue Baulager Hamme ein Grundstück an der Freudenbergstraße, zwischen der Dorstener Straße und der Verbandsstraße, dem späteren Ruhrschnellweg, erwerben.

Auf diese Flächen war bereits der schon an der Voedestraße benachbarte Städtische Schlacht- und Viehof verlagert worden. Das Grundstück hatte die Stadt bereits 1906 zur Verfügung gestellt. Aufgrund des Ersten Weltkriegs und des in der Weimarer Zeit sinkenden Fleischabsatzes wurde jedoch erst im April 1927 mit dem Neubau an der Freudenbergstraße begonnen. Im Juli 1929 wurde der neue Schlachthof in Betrieb genommen.

Das Baulager der Straßenbahn dürfte etwa zweitgleich mit dem Schlacht- und Viehhof angelegt worden sein. Eine erste Aufgabe am neuen Standort war die Lagerung und die Nachnutzung des beim Bau des Bochumer Rathauses mit der Straßenbahn abtransportierten Bodenaushubs. Auf den vom Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk in Auftrag gegebenen Luftbildern von 1926 ist die Lagerung des Erdreichs sehr gut zu erkennen.

In späteren Jahren entstanden auf dem Gelände Unterkünfte und Werkstätten für die Gleisbau- und Oberleitungsabteilung. Die zum Aufrüsten der Arbeitswagen genutzten Gleise wurden eingepflastert. Darüber hinaus entstanden auf dem Gelände verschiedene Umschlagsanlagen für Bau- und Gleismaterial. Ein Teil der Gleise wurde speziell für die Zerlegung ausgemusterter Straßenbahnwagen hergerichtet.

1940 war das Baulager Hamme „etabliert“. Wohl auch deshalb gibt das Verkehrsunternehmen in den zuletzt erschienen Publikationen dieses Jahr als „Eröffnungsjahr“ des Baulagers an.

Obwohl das Baulager Hamme in der Nähe des Güterbahnhofs Riemke lag, gab es zunächst keinen Gleisanschluss an die Staatsbahn. Auch der Anschluss des Schlacht- und Viehhofes an den Güterbahnhof Riemke erwies sich als problematisch. Die Folge waren langwierige Verhandlungen zwischen der Stadt Bochum und Staatsbahn.

Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG fand für den Bahnumschlag eine Zwischenlösung an der Riemker Straße. Hier konnte, in Nachbarschaft zum Restaurant „Kaisergarten“, ein Umschlagplatz erworben werden. E lag parallel zum Zechenbahngleis zwischen den Schachtanlagen Hannibal I/III und Hannibal II an der Grenze zwischen Hamme und Eickel.

VOLLSPURVERKEHR

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Schlacht- und Viehhof schwer beschädigt. In Verbindung mit dem Wiederaufbau des EWG Schlachthofes erhielt auch das Straßenbahn-Baulager in Hamme den lange ersehnten, eigenen Bahnanschluss.

Ab 1961 führte die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG mit einer eigens erworbenen Diesellokomotive sowohl die Güterverschub für den Schlacht- und Viehhof als auch eigene Rangierfahrten, insbesondere im Zusammenhang mit der Anlieferung neuer Straßenbahnfahrzeuge durch.

Die unter der Nummer 650 in den Bestand eingereihte, von der Maschinenfabrik Schöttler in Diepholz gelieferte Lokomotive des Typs CFL 40 DR war bis zur Aufgabe des Anschlussgleises im Jahr 1979 im Einsatz, trug aber zum Schluss nicht mehr die Aufschriften der Straßenbahn. Wohl auch, weil es bei der Straßenbahn keinen Mitarbeiter mehr gab, der die Befähigung gehabt hätte, die Lok zu führen.

Nach ihrem Abschied gelangte sie über die Westfälische Maschinenfabrik Reuschling in Hattingen zur Hoechst AG. Dort war längere Zeit im Einsatz. Seit 1995 steht sie in Erinnerung an den ehemaligen Bahnhof als technisches Denkmal in Pfullingen / Baden-Württemberg.

Das Foto zeigt sie bei der Anlieferung des ersten M-Wagens am 26. Januar 1976 im Bahnhof Bochum-Riemke (Foto Günter Freitag – BOGESTRA-Fotosammlung). Der M-Wagen trägt weder eine Eigentumsbezeichnung noch das BOGESTRA-Logo oder eine Wagennummer.

HEIMAT DER ARBEITSWAGEN

Das Baulager in Hamme war die Heimat der Arbeits- und Spezialfahrzeuge für den Streckenunterhalt. Besonders häufig sah man die Schienenschleifwagen. Sie waren kontinuierlich im Netz unterwegs. Einer von ihnen war der 1950 vom Gelsenkirchener Spezialfahrzeughersteller Seidlitz & Kuschmierz auf einem Weyer-Fahrwerk aufgebaute Schleifwagen 611. Er wurde von mir am 13. Juli 1977 am Bochumer Hauptbahnhof fotografiert.

Der baugleiche Schleifwagen 610 fand 1984 eine neue Heimat beim Verein Bergische Museumsbahnen e. V. . Der 1951 nachgelieferte Schleifwagen 615 wurde ebenso wie Schleifwagen 611 ausgemustert und verschrottet.

VERBANDSTYP ALS ARBEITSWAGEN

1974 wurden die vier 1951 von der Waggonfabrik Credé in Kassel gelieferten Verbandstyp-Triebwagen (Triebwagen 181 bis 184) und der baugleiche Triebwagen 185 von der Waggonfabrik Uerdingen dem Baulager Hamme zur Verfügung gestellt. Bis auf den als Personalwagen verwendeten Triebwagen 181, der seine alte Lackierung behielt, wurden die Fahrzeuge in der eigenen Werkstatt mit besonderen Einbauten für den Arbeitsdienst und einer neuen Lackierung in Orange versehen. Unter den Betriebsnummern 681 bis 685 kamen sie fortan zum Einsatz.

Die Mitarbeiter des Baulagers, die zur Führung der Triebwagen im Arbeits- und Güterverkehr eine sogenannte „Fahrerlaubnis B“ hatten (im Gegensatz zur „Fahrerlaubnis A“ im Personenverkehr), schätzten die sanfte Federung der Triebwagen. Auf der Fahrt über die Dorstener Straße zum Baulager wurde das gerne ausgenutzt, um in Höhe der Einmündung der „Berggate“ eine leichte Delle im Gleis „mit Schmackes“ und anschließendem Schaukeln zu befahren.

Triebwagen 681 wurde wie der historisch wertvolle Sprengwagen 601 nach der Abstellung dem Emschertalmuseum in Wanne-Eickel geschenkt. An der Vermittlung der Fahrzeuge war ich damals beteiligt. 2015 musste die Straßenbahnsammlung des Museums nach schweren Sturmschäden aufgelöst werden. Die noch einigermaßen intakten Triebwagen 601 und 681 wurden jetzt ein zweites Mal von Straßenbahnfreunden gerettet. Für beide Fahrzeuge ist eine erneute Aufarbeitung geplant.

Die nachfolgenden Fotos habe ich am 14. Juli 1977 mit meiner Agfa-Box aufgenommen. Die Mitarbeiter des Baulagers wollten dem 13jährigen Schüler eine Freude bereiten und haben vor allem die LKW fotogerecht in Szene gesetzt. Vielen Dank dafür!

  • Sprengwagen 601 (Hellmers 1913) ist heute noch erhalten und aktuell geschützt untergestellt.
    Foto Ludwig Schönefeld

UMZUG ZUR ENGELSBURG

2005 wurde das Baulager Hamme geschlossen. Die Werkstätten für Gleise und Oberleitung an den Standort Engelsburg verlagert.

Das Beitragsbild aus der BOGESTRA-Fotosammlung zeigt die Werkstätten des Baulagers Anfang der 1950er-Jahre. Im Hintergrund sehen wir den 1926 als ATW 531 von der Waggonfabrik Uerdingen für die Westfälische Straßenbahn gebauten Schleifwagen 605. Er wurde 1955 abgestellt. Ebenfalls zu erkennen sind die recht neuen Lastwagen 5 und 6 sowie der zwischen ihnen abgestellte „Thermitschweißwagen Nr. 1“.

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