RUHRBESETZUNG

Der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Versailler Vertrag hatte den Siegermächten des Ersten Weltkriegs umfangreiche Reparationsleistungen als Kompensation für die durch die deutsche Besatzung und den Krieg verursachten Schäden zugesprochen.

Vor allem die Nachbarländer im Westen hatten erheblich gelitten: Deutsche Truppen hatten im Krieg zunächst das neutrale Belgien und Nordfrankreich besetzt. Da dort wichtige Kohlereviere lagen, musste insbesondere Frankreich während der Kriegszeit Kohle aus Großbritannien importieren, während Deutschland die in Belgien und Frankreich geförderte Kohle nutzte, um einerseits die Zivilbevölkerung zu versorgen und andererseits die Kriegswirtschaft zu unterstützen.

KOHLE-BOOM UND VERTRAGSVERZUG

Anfang der 1920er-Jahre erlebte die Kohleförderung in Deutschland trotz des verlorenen Krieges einen Boom. Der Bergbau konnte allein im Ruhrgebiet zwischen 1918 und 1920 rund 120.000 zusätzliche Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

1921 sank die Förderung in ganz Europa. Streiks in Großbritannien, die sich gegen die Verstaatlichung der Bergwerke richteten, führten demgegenüber im Ruhrgebiet zu einem Export-Boom.

Dennoch kam Deutschland den Verpflichtungen des Versailler Vertrages nicht nach. Am 9. Januar 1923 unterstellte die alliierte Reparationskommission Deutschland insbesondere bei den Kohlelieferungen absichtliche Zurückhaltung.

Vor diesem Hintergrund beschlossen Belgien und Frankreich, die Kohlelieferungen mit militärischen Mitteln durchzusetzen.

EINMARSCH IN BOCHUM

Am 11. Januar 1923 wurden Essen und Gelsenkirchen besetzt. Am 15. Januar 1923 erreichte das 155. Infanterieregiment von Westen über den Hellweg kommend die Bochumer Innenstadt. Um 12.30 Uhr erklärten der General und der Kommandeur der französischen Besatzungstruppe gegenüber dem amtierenden Oberbürgermeister Graff die Besetzung der Stadt.

Begleitet von zwei Panzern besetzten die Truppen die „Drehscheibe“, das Verkehrskreuz der Innenstadt. Dieser entscheidende Moment wurde von einem privaten Fotografen in der Vorlag für das Beitragsbild festgehalten (Stadt Bochum, Pressestelle).

Am 17. Januar wurde der Belagerungszustand über die Stadt verhängt. Der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG wurde rückwirkend verboten, das Linienangebot über den Stand vom 11. Januar 1923 auszuweiten.

BUREAU DE LA PLACE

Zunächst wurden die französischen Truppen provisorisch untergebracht. Die Offiziere residierten im „Bochumer Hof“ an der Alleestraße.

Ab dem 23. Juli 1923 wurde in der Schule an der A-B-C-Straße das Hauptquartier der französischen Besatzungsmacht eingerichtet. Hier residierten fortan der Generalstab, die Post, die Schatzmeisterei und andere hoheitliche Stellen. Nach der Beschlagnahmung des Bürohauses der Westfalenbank an der Kaiserstraße als Stabsquartier sowie zur Unterbringung der Zivilkommandantur und der Wohnungskommission wurde ein Teil der Schulräume wieder freigegeben.

Die Straßenbahnhaltestelle vor dem „Bureau de la Place“ in der Kaiserstraße wurde neu ausgeschildert. Anstelle des Schildes „Haltestelle der Straßenbahn“ hing hier nunmehr ein Schild mit der französischen Aufschrift „Circuit“.

Das nachfolgende Motiv zeigt das „Bureau de la Place“ und die Haltestelle 1924 als Postkartenmotiv (Phototypie Daniel Delboy, Mirecourt – Sammlung Ludwig Schönefeld).

Wie die meisten mit französischen Ortsbezeichnungen gedruckten Postkarten wurden auch die Karten aus dem Verlag Daniel Delboy über die Buchhandlung Hachette vertrieben. Für das Verkaufslokal und die Druckerei, die unter der Bezeichnung „M.H.“ auch eigene Postkartenmotive publizierte, wurden Geschäftsräume in der Friedrichstraße 12 beschlagnahmt.

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