NACH CASTROP

Die Abteufung von Steinkohle-Zechen in Gerthe und Harpen, insbesondere die Abteufung der Schachtanlagen „Lothringen“ in Gerthe (Förderung von 1880 bis 1967) und „Constantin der Grosse“ in Riemke, Grumme und Hiltrop (Förderung von 1857 bis 1967), veränderte den zuvor von Bauernhöfen und Landwirtschaft geprägten Bochumer Norden nachhaltig. Die gut bezahlten Arbeitsplätze im Bergbau sorgten für eine sprunghafte Bevölkerungsentwicklung. In Gerthe entstand ein neuer Ortsmittelpunkt zwischen der Schachtanlage Lothringen I/II und dem Castroper Hellweg.

Vor diesem Hintergrund bemühte der am 1. Februar 1901 zum Amtmann des Amtes Harpen benannte Hans von Köckritz (1857 – 1950) um eine gute und leistungsfähige Verbindung nach Bochum.

Da es keinen Bahnanschluss gab, mussten die Landgemeinden Harpen und Gerthe befürchten, von der industriellen Stadtentwicklung „abgehängt“ zu werden. Deshalb war es dem engagierten Amtmann wichtig, eine Verbindung zu den ehemals Rheinischen und Bergisch-Märkischen Eisenbahnstrecken an den Bahnhöfen Bochum-Nord und Bochum-Süd herzustellen.

Ein weiterer wichtiger Beweggrund war das langfristige Ziel, für das Amt Harpen mittelfristig Stadtrechte zu erwirken. Zum Bezirk des am 1. April 1900 aus dem Amt Bochum I (Nord) hervorgegangenen Amtes Harpen gehörten die Gemeinden Grumme, Gerthe und Harpen, ab 1902 dann auch durch Abspaltung von Herne die Gemeinde Hiltrop.

Von Köckritz trieb die Entwicklung des Bezirkes kontinuierlich voran: Die Gewinnung von Bergwerksbetrieben sowie der Bau einer Kleinbahn von Gerthe nach Bochum waren wichtige kommunalpolitische Ziele.

Mit einem 1909/10 in Gerthe errichteten, repräsentativen Amtshaus in der Heinrichstraße wurden die Voraussetzungen geschaffen, das erwartete Wachstum des Amtes auch administrativ zu bewältigen. Mit dem Einzug der Gemeindeverwaltung wurde das Amt Harpen in Amt Gerthe umbenannt.

Die Gewährung von Stadtrechten blieb Gerthe dennoch versagt. 1929 wurde Gerthe nach Bochum eingemeindet.

VERHANDLUNGEN MIT DEM MONOPOLISTEN

Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG hatte in der Stadt und im Landkreis Bochum das Monopol für den Bau und Betrieb der Straßenbahn. 1905 wurden die Gemeinden Harpen und Gerthe auf Initiative ihre Amtmanns Hans von Köckritz dort erstmals vorstellig, um für den Bau einer Straßenbahnverbindung von Bochum nach Harpen und Gerthe zu werben.

Ohne Erfolg: Eine Straßenbahnstrecke in den ländlichen Norden stand jedoch nicht auf der zwischen der Stadt Bochum, der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG sowie Siemens & Halske erarbeiteten Prioritätenliste.

Siemens & Halske lehnte es als Betreiberin der Straßenbahnstrecken zudem ab, für eine neue Strecke in den Bochumer Norden gegenüber der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG eine Zinsgarantie zu übernehmen. Die bereits bestehenden Strecken erwirtschafteten keine ausreichende Verzinsung des Anlagekapitals.

Das um 1910 entstandene Beitragsbild (Stadt Bochum, Pressestelle) und der nachfolgende Ausschnitt aus einer zu Beginn der 1950er-Jahre publizierten Postkarte (Verlag Cramers Kunstanstalt, Dortmund – Sammlung Ludwig Schönefeld) zeigen „Lothringen I / II“. Die Schachtanlage war der Grund für den starken Bevölkerungsanstieg der anfangs sehr überschaubaren Landgemeinde.