Neben der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG gab es in Bochum seit 1907 ein weiteres Verkehrsunternehmen, die Kleinbahn Bochum – Gerthe – Harpen. Ihr Generaldirektor war seit der Gründung am 6. Dezember 1907 Paul Müller (1876 – 1927), ein ehemaliger Mitarbeiter aus dem Bochumer Büro von Siemens & Halske.
Paul Müller war ein Visionär. Wohl auch deshalb gehörte das von ihm geleitete Unternehmen, das seine 1908 eröffneten Strecken nach Gerthe und Harpen bereits 1909 nach Castrop und 1912 nach Lütgendortmund weiterführen konnte, schon bald zu den Vorzeigeunternehmen im Ruhrgebiet.
Die Notlage der Märkischen Straßenbahn, die von Witten aus Straßenbahnlinien nach Annen, Bommern, Langendreer, Lütgendortmund und Castrop betrieb, war Paul Müller nicht entgangen. Das Unternehmen war bereits 1901 in die Insolvenz geraten und wurde seither in kommunaler Eigenverantwortung verwaltet.
In einer im Februar 1912 vorgelegten Denkschrift schlug Paul Müller den Gesellschaftern vor, die Bochum-Castroper Straßenbahn GmbH mit der Märkischen Straßenbahn und den Straßenbahnbetrieben in und um Herne zu verschmelzen.
Paul Müller errechnete, dass bei einer Zusammenlegung der Bochum-Castroper Straßenbahn, der ebenfalls kommunalen Straßenbahn der Stadt Herne und der Märkischen Straßenbahn aufgrund von Synergieeffekten eine Verzinsung von 5,6 Prozent des Anlagekapitals der Märkischen Straßenbahn möglich sein sollte.
Für die Bochum-Castroper Straßenbahn errechnete Paul Müller im Fall eines Zusammenschlusses eine um 1 Prozent bessere Verzinsung, für die Straßenbahn der Stadt Herne eine um 3,22 Prozent höhere Verzinsung.
Die Denkschrift lieferte überzeugende Argumente. Paul Müller, der parallel zu seiner Tätigkeit bei der Bochum-Castroper Straßenbahn GmbH 1909/10 auch den erkrankten Betriebsleiter bei der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG vertreten hatte, hatte zudem eine hervorragende Reputation. Die Gründung der von ihm vorgeschlagenen Westfälischen Straßenbahnen GmbH war schnell beschlossene Sache.
In der Chronik zum zehnjährigen Bestehen des Verkehrsunternehmens hält Paul Müller fest: „Am 15. Mai 1912 wurde durch Beschluß der Gesellschafterversammlung (der Bochum-Castroper Straßenbahn GmbH) die neue Westfälische Straßenbahn GmbH angenommen und am 24. Mai 1912 traten die Städte Witten, Herne, sowie die Gemeinden Langendreer, Lütgendortmund, Werne, Annen, Bommern und Laer dem Unternehmen als Gesellschafter bei. Gleichzeitig gingen die Märkische Straßenbahn und desgleichen die der Stadt Herne durch Kauf in den Besitz der Westfälischen Straßenbahn über.“
In den ersten Betriebsjahren konnte sich die Westfälische Straßenbahn GmbH hervorragend entwickeln. Dazu trug insbesondere ein umfangreicher Güterverkehr im Ersten Weltkrieg bei. Die Erlöse wurde kontinuierlich in den Ausbau der Betriebsmittel und das Streckennetz investiert.
Anfang der 1930er-Jahre geriet das Unternehmen trotz an sich guter Fahrgastzahlen in eine wirtschaftliche Schieflage Ursächlich dafür war der Zinsdienst für die zu kontinuierlichen Modernisierung aufgenommenen Anleihen. So hatte man noch 1928 eine Anleihe über drei Millionen Reichsmark aufgenommen, unter anderem für die moderne Neubaustrecke von Witten nach Herbede.
Darüber hinaus verlor die Westfälische Straßenbahn GmbH mit dem frühen Tod von Paul Müller ihren „unternehmerischen Antrieb“. Er starb am 18. November 1927 nach schwerer Krankheit im Alter von 52 Jahren.
Von den Mitarbeitenden der Westfälischen Straßenbahnen GmbH wurde Paul Müller sehr verehrt. Er wurde auf dem Hiltroper Friedhof beigesetzt. Die Stadt Bochum widmete ihm am 20. Oktober 1929 eine neue Wohn- und Anliegerstraße in Hiltrop.