CONSTANTIN VI/VII

Bereits in den frühen 1920er-Jahren wurde die Trasse der Linie 9 im Verlauf der Bergstraße doppelgleisig ausgebaut. Vermutlich stand diese Baumaßnahme im Zusammenhang mit der bereits 1912/13 geplanten Verlängerung der Strecke von der „Kaiser-Aue“ über die Tippelsberger Straße (seit 1929 Tenthoffstraße) und die Hiltroper Straße zur Schachtanlage Constantin VI/VII sowie darüber hinaus durch die Gemeinde Bergen nach Hiltrop.

Nach einem Bericht des Bochumer Anzeigers vom 25. April 1935 hatte man 1913 das Schienenmaterial schon angefahren. Dann jedoch habe sich die Angelegenheit zerschlagen.

Erst nach mehr als einem Jahrzehnt wurde die Sache wieder aufgegriffen. Im Frühjahr 1929 wurde mit dem Ausbau der Tenthoffstraße begonnen. Am 10. Oktober 1929 nahm die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG zwischen der Josephinenstraße und Constantin VI/VIII die rund 850 Meter lange Neubaustrecke in Betrieb.

Die neue Trasse zweigte doppelgleisig von der Josephinenstraße in die Tenthoffstraße ab. Für ein gutes Stück wurde sie noch zweigleisig weitergeführt. Kurz vor dem heute noch vorhandenen Überführungsbauwerk der Constantin-Anschlussbahn wurde die Trasse eingleisig. In Mittellage wurde das Gleis schließlich in die Hiltroper Straße geführt. Die Endstelle lag in Höhe der damaligen Gastwirtschaft Specht.

AUF DEN TIPPELSBERG

Zwischen den Grummer Teichen und der Endstelle auf dem östlichen Ausläufer des 119 Meter hohen Tippelsberges musste die Bahn einen deutlich wahrnehmbaren Höhenunterschied überwinden. Die gesamte Strecke lag fast durchgehend in einer Steigung.

Die auf der Stammstrecke eingesetzten Wagen trugen nach der Eröffnung des neuen Streckenastes weiterhin die Liniennummer 9. Die nach Constantin VI/VII durchlaufenden Wagen verkehrten anfangs als „9a“, später dann unter der Liniennummer 19.

Auf dem Titelbild ist die Steigung der Hiltroper Straße zwischen der Einmündung der Tenthoffstraße und der Endstelle vor der Wirtschaft Specht gut zu erkennen. Auf der rechten Bildhälfte dominieren die Anlagen der Zeche Constantin VI/VII, von denen kaum etwas erhalten blieb (H. Wörzberger – Sammlung Heinz-Günter Spichartz).

Das nachfolgende, aus zwei Fotos zusammengesetzte Bild zeigt den Abzweig von der Josephinenstraße in die Tenthoffstraße während der Bauarbeiten. Links ist der Grummer Bach zu erkennen, rechts die Gebäude des Ausflugslokals „Kaiser-Aue“. Die Aufnahmen sind vermutlich im Frühjahr 1929 entstanden (Tiefbauamt Bochum – Sammlung Heinz-Günter Spichartz).

ZUM ZILLERTAL

In der Ankündigung zur bevorstehenden Verlängerung der Linie 9 hob das Bochumer Tageblatt am 7. Oktober 1929 hervor, dass mit der neuen Strecke zu den Constantin-Schächten nunmehr auch eine Verbindung von der Stadt zum Naherholungsgebiet Zillertal hergestellt werde: Die neue Strecke bietet eine günstige Gelegenheit, bis zum Weg, der in das beliebte Zillertal führt, zu fahren.

Als „Zillertal“ wird bis heute ein Grüngebiet im Osten des Bochumer Stadtteils Riemke bezeichnet, das auf seiner Südseite durch den Tippelsberg begrenzt wird. Auf seinem Weg von den Ausläufern des Ardeygebirges in Hiltrop zum Hüller Bach in Bickern speist der Dorneburger Mühlenbach mehrere landschaftlich reizvoll gelegene Teiche, die das Ausflugslokal Zillertal bereits um 1900 zur Forellenzucht und als Ruderteich nutzte.

NACH BERGEN UND HILTROP

Nicht realisiert wurde die 1912/13 angedachte Verlängerung über die Hiltroper Straße durch den „Wanne“ genannten südlichen Teil von Bergen nach Hiltrop.

In Hiltrop wäre es möglich und kommunalpolitisch wünschenswert gewesen, eine Verbindung von der Linie 9a zur Westfälischen Straßenbahn herzustellen. Diese verlängerte am 1. Dezember 1929 ihre Linie D über die Wiescherstraße von Herne nach Hiltrop. Geplant war sogar, die „D“ über die heutige Dietrich-Benking-Straße an die Trasse der damaligen Linie A im Castroper Hellweg anzuschließen. Die Ende 1930 eintretende Insolvenz der Westfälischen Straßenbahn verhinderte das Vorhaben. Die Linie D wurde bereits 1931 stillgelegt.

Wer von Bergen oder Hiltrop zum Einkaufen nach Bochum fahren wollte, hatte es somit schwer. Wenn größere Besorgungen anstanden, mussten die Bürgerinnen und Bürger eine halbe Stunde Fußweg zur Endstelle der Linie 9a oder zur nächstgelegenen Haltestelle der Linie A Bochum – Gerthe – Castrop in Kauf nehmen. Vor diesem Hintergrund erinnerte der Bochumer Anzeiger im unten abgebildeten Artikel vom 25. April 1935 eindringlich an den Wunsch der Bevölkerung von Bergen und Hiltrop, die Linie 9a bis zur Gaststätte Lukas in Hiltrop oder wenigstens bis zur Schachtanlage Lothringen IV durchzulegen. Für Bochum sei das durchaus von Vorteil: Da die Wege nach der Stadt Herne zum Teil kürzer und näher sind, ging ein großer Teil der Kaufkraft … für Bochum bisher verloren.

Trotz guter Argumente hatte das Werben um eine attraktive Anbindung von Bergen und Hiltrop keinen Erfolg. Die Linie 9 / 19 blieb in ihrem nördlichen Abschnitt unvollendet.