Während die aus der Bochum-Castroper Straßenbahn hervorgegangene Westfälische Straßenbahn im Ersten Weltkrieg recht früh ein Netz von Güterverbindungen im Wittener Raum aufbaute, hielt sich die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG trotz der Bitte des 7. Armeekorps in Münster, die Staatsbahn durch die Übernahme lokaler Güterverkehre zu entlasten, in Sachen Güterverkehr zurück.
Ende Januar 1917 nahmen die Westfälischen Stahlwerke in Weitmar (später Bismarckhütte / Rombacher Hütte) erste Gespräche mit der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG und der Westfälischen Straßenbahn GmbH auf, um ihren Hüttenbetrieb mit Kohle aus nahe gelegenen Zechen zu versorgen.
In den Gesprächen wurde ein Anschlussgleis von der Straßenbahnstrecke nach Weitmar über die Friedrichstraße (heute Kohlenstraße) auf das Gelände der Westfälischen Stahlwerke angeregt. Angedacht war, Kohle von den Zechen Erin in Castrop, Lothringen I/II in Gerthe und Constantin in Riemke und an der Castroper Straße zur Bismarckhütte zu transportieren.
Die Rombacher Hütte der Westfälischen Stahlwerke, die wir unten auf einer Postkarte aus dem Verlag Trinks & Co. GmbH, Leipzig, (Sammlung Ludwig Schönefeld) sehen, gehörte um die Jahrhundertwende zu den großen Bochumer Industriebetrieben. Auf dem Gelände gab es ein eigenes Stahlwerk und mehrere Walzstraßen. Zum Portfolio gehörten Gleise, Weichen und Eisenbahnradsätze. Rund 1.700 Mitarbeitende waren für die Hütte tätig.
ANSCHLUSSGLEISE IN RIEMKE UND BÄRENDORF
Am 9. März 1917 gelang es der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG, vom Königlichen Regierungspräsidium in Arnsberg eine Genehmigung für den Gütertransport über die Dauer des Ersten Weltkrieges zu erwirken. Daraufhin wurden ein rund 500 Meter langes Anschlussgleis zur Zeche Constantin in Riemke und das rund 800 Meter lange Anschlussgleis durch die Friedrichstraße im Bochumer Stadtteil Bärendorf auf das Gelände der Stahlwerke gebaut. Am 17. April 1917 konnte die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG den Kohlentransport aufnehmen.
In den ersten Monaten erfolgte der Kohletransport in Form von abgesackter Kohle, jeweils in einem Zug aus einem Triebwagen und zwei normalen Loren. Als Triebwagen wurden dabei bevorzugt ältere Fahrzeuge aus der Erstausstattung der Bochumer Straßenbahn verwendet. Als Güterwagen kamen Loren aus dem Bauzugdienst zum Einsatz, bevorzugt solche, bei denen die Bordwände abgeklappt werden konnten.
In der Friedrichstraße wurden die Kohlewagen bereitgestellt und dann von einer Dampflok der Hütte auf das Werksgelände gezogen. Wenig später wurde das Anschlussgleis ausgebaut und elektrifiziert. Nun fuhren die Straßenbahn-Güterzüge bis auf das Gelände der Stahlwerke, wo der Kohleumschlag stattfand.
EINBINDUNG DER WESTFÄLISCHEN STRASSENBAHN
Während die Westfälische Straßenbahn bei der Vergabe der Kohlentransporte zunächst scheiterte, war sie mit einem anderen Baustoff erfolgreicher: Das Ansinnen der Stahlwerke, von der Gesellschaft für Baubedarf an der Castroper Straße Ziegelsteine über das Straßenbahnnetz zu beziehen, brachte den Durchbruch für die Westfälische Straßenbahn im Bochumer Güterverkehr. Von August 1917 bis November 1917 wurden insgesamt 4220 Tonnen Ziegelsteine befördert.
Ab Dezember 1917 war es schließlich auch für die Westfälische Straßenbahn möglich, Kohle über das Anschlussgleis zu den Stahlwerken zu fahren. Geliefert wurde sie von den Zechen Constantin III und Constantin IV. Die Beladung der Straßenbahn-Güterwagen an der Schachtanlage Constantin IV erfolgte an der Landwehrstraße im Verlauf der Straßenbahnstrecke von Herne nach Gerthe. Über die Strecke von Gerthe nach Bochum, in deren Verlauf die als Ausweiche angelegte Verladeanlage der Schachtanlage Constantin III lag, fuhren die Kohlenzüge in die Bochumer Innenstadt und vor dort über die Strecke nach Hattingen bis zum Anschlussgleis in der Friedrichstraße.
ECHTE GÜTERWAGEN
Bis Dezember 1918 wurden 29.580 Tonnen Kohle transportiert. Die von der Westfälischen Straßenbahn dafür benötigten Güterwagen waren zunächst angemietete 10-Tonnen-Selbstentladewagen der Vestischen Kleinbahn GmbH. Sie wurden schon bald durch in eigener Werkstatt entstandene Güterwagen ersetzt. Ein Teil dieser Wagen waren Selbstentladewagen (556 bis 561), ein weiterer Teil einfache offene Kohlewagen (562 bis 569). „Spender“ der Fahrgestelle waren ausgemusterte Triebwagen der ehemaligen Märkischen Straßenbahn.
Wie lange die Kohletransporte durchgeführt wurden, ist rückblickend nicht mehr zu klären. Aus einem Schreiben der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG vom 5. August 1920 an das Regierungspräsidium in Arnsberg geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt der Güterverkehr eingestellt war.